Die Kettenschleppschifffahrt hat in der Binnenschifffahrt Geschichte geschrieben

Um 1850 waren die Flüsse meist noch in Ihrem Ursprungszustand und es gab bei der Schifffahrt Probleme durch starke Gefälle, enge Flusswindungen, Niedrigwasserbereiche, Stromschnellen, Brücken und Versandungen.

Vor der Einführung der Ketten- und Seilschleppschifffahrt Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Frachtgüter auf den Binnengewässern mit relativ kleinen Holzschiffen bei Tragfähigkeiten von ca. 50t durch Segeln, Staken, Warpen beziehungsweise Treideln mit Pferden oder gar Menschen transportiert. Die ersten Dampfschleppschiffe, die mit Schraubenpropellern oder Schaufelrädern angetrieben wurden, waren zu schwach und zu schwerfällig um auf den schwierigen Strecken die immer größeren Mengen an Transportgütern zu bewältigen.

In Frankreich und in Deutschland wurden Möglichkeiten entwickelt, um an Seilen oder Ketten Dampfschleppschiffe mit ihrer Last durch schwierige Flussbereiche, insbesondere Flachwasserstrecken mit schnellen und starken Strömungen, zu bringen. In Deutschland waren Zugketten in Elbe, Saale, Spree, Brahe, Weser, Neckar und Main ausgelegt. Auf Rhein, Oder und Havel fuhren Schleppdampfer an Stahlseilen.

Um Lastkähne auf den Flüssen schnell flussauf schleppen zu können, wurden von 1866, in Magdeburg beginnend, bis 1948 bei Waltirsche im tschechischen Teil der Elbe Kettenschleppdampfer eingesetzt. Es waren Schiffe mit besonders geringem Tiefgang, die mittels eines speziellen Antriebs sich und die angehängten antriebslosen Lastkähne entlang einer im Fluss ausgelegten starken Zugkette flussaufwärts zogen.

Durch die Kettenschleppdampfer wurde die maschinelle Zugkraft wirtschaftlich in der Binnenschifffahrt eingeführt. Sie half wesentlich, den auf Grund der industriellen Revolution entstehenden Engpass im Transportwesen auf den Binnengewässern zu überwinden. Somit wurde dem ebenfalls aufkommenden Eisenbahntransportwesen ein starkes Gegengewicht geboten. In der Binnenschifffahrt konnten nun wesentlich mehr und auch größere Transporteinheiten zuverlässig bewegt werden. Die Elbeschifffahrt zu einem leistungsfähigen Zweig des Transportwesens.

Die Zugkette war mitunter mehrere hundert Kilometer lang. Sie lag in der Elbe von Hamburg bis Melnik mit einer Länge von 734 km und in der Saale von der Elbmündung bis Halle, hier war sie 109 km lang. Mit insgesamt 843 km Länge und einer Gesamtmasse von 12.705 t war dies die größte zusammenhängende Kettenschifffahrtsstrecke aller europäischen Stromgebiete. Die Zugkette wurde nicht verankert, sondern lag durch ihr Eigengewicht stationär auf dem Flussgrund, somit war ein schier endloses Fahren entlang der Kette möglich.

Die Kraft der Dampfmaschine wurde mit Doppeltrommelwinden oder einem Bellingrathschen Greifrad oder auch mit einem elektromagnetischen Kettenrad auf die Kette übertragen, wo durch sich der Schlepper mit bis zu 12 Anhängern und Lasten von über 3.000 t vorwärts zog.

Allerdings wurde die Technik der Kettenschleppschifffahrt vor der Wende zum 20. Jahrhundert durch die Entwicklung von starken autonomen Schleppern (mit Seitenrad-, Heckrad- und Schraubenpropellerantrieb), sowie durch die ganz neuen Motorgüterschiffe überholt. Die Kettenschleppdampfer fuhren dann nur noch als Bugsier- und Vorspannschlepper speziell in Flussbereichen mit geringer Tiefe und starken, schnellen Strömungen, in denen sogar die modernen Schlepper Probleme hatten.

Am 16. Januar 1945 wurden die beiden letzten Magdeburger Kettenschleppdampfer durch Bombentreffer versenkt und im Jahr darauf gehoben und verschrottet. Somit endete nach 80 Jahren in Deutschland die Ära der Kettenschleppdampfer in Magdeburg, wo sie auch begonnen hatte.

Aber auch heute findete man zum Beispiel in Frankreich noch Kettenschleppschiffe mit einer elektromagnetischen Kettentrommel.